Aktuell / im großen Raum und Kabinett

 
leiser als laut
TORRANO ainara & WOHLFARTH tina
Malerei & Mezzotinto
 
Vernissage: Freitag 26 . September 2025 / 20:00 Uhr
Einführung: Dr. Tina Simon, Publizistin (Leipzig)
Musik: Sarah Christ (Dresden an der Harfe)
Erster Tag: Samstag 27. September 2025 / ab 11:00 bis 17:00 Uhr
Letzter Tag: Samstag 11. Oktober / ab 13:00 bis 17:00 Uhr
 
 

Wer stark ist kann sich erlauben, leise zu sprechen“. Es ist zeittypisches Signal der Kommunikation, dass ein Mangel an Überzeugung mit einem Übermaß an inszenierter Auffälligkeit einhergeht. Lauter, schriller, größer und provokanter gibt sich, was an Erkenntnis oder Vorstellung nicht stark genug ist.

Leiser als laut – das klingt, als könnte man eine Wirkung steigern, indem man ihre Mittel reduziert. Man kann!  Die leisen Töne können überraschend eindringlich sein und seltsam erhaben im Getöse der wilden Rufe. In diesem Sinn klar, unangefochten und souverän behaupten sich die Werke von Ainara Torrano und Tina Wohlfarth auf dem Markt der Gegenwartskunst mit seinen Superlativen und Exzessen. Die Künstlerinnen agieren mit einer auffällig leisen Bescheidenheit.

Ainara Torrano geht gegenständlich und figürlich konkret (Öl auf Leinwand), dem Spiel mit Identitäten nach. Die Maskeraden, Rollenspiele, Tagträume, Dämmerzustände und Selbstversuche der Protagonisten taumeln zwischen künstlicher Pose und Selbstvergessenheit. Beim Beobachter verbinden sich Neugier und Empathie. Er ist in konspirativer Weise mit der Szene und den Figuren verbunden, in dem er hineingenommen wird in die Stimmungen, die Spannungen, die Konstellationen und köstlichen Phantasien - und schließlich in die Frage, wie der Mensch zu dem wird, was er ist. Diese Dimension ist kontemplativ herunter geregelt, ist mit entsättigten Farben in mildweich luftigem Pastell in rosa, hellblau, schwefelgelb erleichtert und das reduzierte Geschehen ist im Flüsterton erzählt. Es sind Momentaufnahmen im Augenblick des Begreifens. Von was? Man ahnt es. Und man ahnt auch die kleinen versteckten Ungeheuerlichkeiten.

Der Cocon steht im Zentrum der neuen Werke von Tina Wohlfarth: Ein großformatiges Mezzotinto, ergänzt mit Farb- und Metallpigmenten und anderem, eingefügt in aufwändigen Prägedruck und vollendet mit filigranen paper cut Passagen. Das Werk ist schlicht ein Universum, an dem die Künstlerin seit 2019 arbeitet. Und es ist ein Ereignis in seiner Kombination sehr alter aber hochgradig effektvoller – und seltener! - künstlerischer Techniken, die die Aufmerksamkeit des Betrachters sofort anziehen.  Zunächst schlicht ein abgebildetes Hoodie ist Der Cocon die hochkomplexe Form eines Porträts ohne Gesicht. Im Ineinandergreifen divergenter Techniken ist die Stilistik moderner Darstellungsformen extrem erweitert. Auch die ergänzend gezeigten Arbeiten geben Einblick in die einmal mehr ins  Extreme getriebenen künstlerischen Ausdrucksformen. Die präsentierten Werke der aktuellen Schau sind auch die Weiterführung der großen Werkgruppen Ophelia und human landscapes.

Beide Künstlerinnen zeigen überwiegend neue Arbeiten, die keine engagierte Rechtfertigung brauchen. Sie sind groß, großartig, und können es sich leisten, leise zu sein, leise bis zum Unausgesprochenen und ruhig in minimalen Gesten bis zur Wirkung eines wohlplatzierten Schweigens, das die innere Ruhe gegen äußeren Lärm verteidigt; Werke, die leiser als laut sind.

© Dr. Tina Simon, Publizistin, Leipzig, August 2025

 

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